Glücklich über die Schwimmzeit ging es aus der Wechselzone schnurstracks von Eidfjord zunächst in Richtung Vøringsfossen, Garen und Dyranut. Weitere Details zu der Strecke habe ich schon in einem früheren Post beschrieben. Wer es lieber visuell mag (und das ist definitiv zu empfehlen bei der Landschaft) sollte hier schauen:
Kurzum nun ging es eigentlich 2 Stunden nur bergauf (gerechnet in meinem Tempo bis nach Dyranut). Die erste Stunde ging es hoch zum Wasserfall im Wechsel zwischen der “Old Road” und zwei Tunneln. Die “Old Road” war bei Nebel und Nieselregen ein landschaftlicher Traum und der Måbø Tunnel war, dank der Hitze, der Geräuschentwicklung der Ventilatoren und der Autos (und deren Abgase), das genaue Gegenteil. Seid ihr schon mal in einem mit Autos befahrenen fast 2km langen Tunnel (bei 8-10% Steigung) Rad gefahren? Heftig, sag ich euch und ziemlich skurril! Grüße auch hier wieder an Thorsten der mich im Tunnel dann überholte (dank seiner Warnweste unverkennbar).
Bereits bevor es auf die “Old Road” ging hatte ich ein ungutes Gefühl in den Oberschenkeln. Es waren nicht direkt Schmerzen oder Krämpfe, mehr so das Gefühl als wäre ich nicht erst 20 Minuten unterwegs sonders schon 5 Stunden. Also eher ein Ermüdungsgefühl in der ganzen vorderen Oberschenkelmuskulatur. Witzigerweise genau zu dem Zeitpunkt als das Motorad vorbeikam (siehe Video oben). Und der Moderator meinte noch das ich mich wohl sehr behaglich fühle…klar wenn man den Daumen hebt 😀 In Wahrheit war ich etwas besorgt sooo früh im Rennen die ersten Probleme zu haben sodass der Daumen eher gute Miene zum bösen Spiel war…alles Taktik natürlich 😀 Ich vermutete das es an den Krämpfen beim ersten Wechsel lag und probierte die Problematik so gut es ging zu verorten bzw. mich nicht reinzusteigern. Gar nicht so einfach weil zudem ab einem gewissen Punkt quasi jeder an mir vorbeigefahren ist (und das mit teils deutlich mehr Power). Ich dachte mir nur “Alter, was haben die denn vor? Die wissen schon das in Dyranut nicht das Ziel ist?!”. Ich habe mich nicht aus der Ruhe bringen lassen und bin stur meine Watt gefahren. Zugegeben – ich war auf dem größten Ritzel und konnte gar nicht anders. Da ich immer um die 190-200W NP fuhr (fahren musste) war dies sogar leicht über den veranschlagten Bereich. Sich jetzt mitreißen zu lassen wäre fahrlässig gewesen.
Oberhalb des Vøringsfossen und quasi mit Beginn der Hochebene wurde ich mit einem wunderschönen Regenbogen begrüßt. Ein traumhaftes Bild was ich wohl nicht mehr vergessen werde. Hier und da Wolken bzw. Nebelschleier und Nieselregen. Wie es halt so ist früh am Morgen in Norwegen (siehe Bilder) 🙂 Garen habe ich nach ca. 1h:15min passiert.
Hier durfte das erste mal supported werden. Wir hatten wohl bei der initialen Kleiderwahl alles richtig gemacht, denn da ich mich aktuell wohl fühlte konnte ich einfach ohne weitere Wechsel durchfahren. Hier konnte ich auch ein paar Plätze wieder gut machen da ich viele Athleten am Straßenrand passiert habe. Ich musste lediglich runterbremsen um die Flasche(n) mit Sarah zu tauschen und um uns kurz abzustimmen. In den Flaschen war das Energie/Wasser-Gemisch welches wir bereits am Abend davor vorbereitet hatten. Ich bin wieder mit dem Squeezy Energy Gel bzw. später Energy Super Gel gefahren. Der Vorteil ist das es dieses in 500ml Flaschen gibt sodass ich direkt mit einer Handvoll angereist bin 😀 Wenn ich mich recht daran erinnere bin ich mit 80-90g Kohlenhydrate pro Stunde gefahren. Das heißt eine Squeezy Flasche reicht für 4 Stunden und entsprechend haben wir auch die Radflaschen gefüllt (125ml Gel + 625ml Rest Wasser). Sarah bzw. Papa haben mir dann immer eine Flasche mit Energie und eine rein mit Wasser gereicht. Letzteres hatte den Grund das 625ml Wasser für die Energiemenge zu wenig sind und ich vorne im Torpedo die Mischung weiter verdünnen musste. Insgesamt musste ich pro Stunde reichlich 1L trinken – zumindest idealerweise. Gerade weil es kein Hitzerennen ist und viele Höhenmeter (und entsprechend viele Abfahrten) zu überwinden sind ist das alles andere als einfach und am Ende habe ich es auch nicht geschafft.
Nach reichlich 2 Stunden erreichte ich Dyranut und somit den höchsten Punkt der Strecke (ca. 1250m ü. Null; Imingfjell liegt 100m tiefer). Hier war eigentlich auch nochmal ein möglicher Klamottenwechsel angedacht aber ich bin einfach durchgefahren. Sehr zum Ärger von Sarah irgendwann, welche jedesmal die säuberlich gepackte Klamottenkiste an den Streckenrand getragen hat 😀
Nach Dyranut geht es die nächsten reichlich 50km auf der Hochebene fast stetig bergab nach Geilo (auf ~800HM). Gibt es hier Gegenwind wird es ätzend. Ich hatte mal wieder Glück – es war größtenteils Rückenwind. Irgendwo zwischen Dyranut und Halne (Kilometer 49) kam dann auch die Sonne raus. Großer Gang und Feuer frei! Mal wieder erhalte ein für mich typischer Jubelschrei 😀 Wie gesagt, in dieser Umgebung mit dem Rad zu donnern ist ein echtes Privileg. Ich kann nur empfehlen mal mit StreetView auf die Strecke zu zoomen oder das Video von oben zu schauen (oder eines der Year by Year Videos) um einen Eindruck zu bekommen. Im Übrigen war auch von den anfänglichen Problemen in den Oberschenkeln nichts mehr zu spüren. Zu dem Zeitpunkt im Wettkampf habe ich darüber auch gar nicht mehr nachgedacht. Sie waren einfach irgendwann weg ohne das ich es direkt bemerkt hätte 🙂
Den nächsten vorher ausgemachten Verpflegungspunkt in Halne habe ich kurzerhand ausgelassen (zur Freude von Sarah – nicht) weil einfach die Flaschen noch mehr oder minder voll waren. Erst in Haugastol habe ich dann wieder Verpflegung aufgenommen. Nun folgten ein paar Kilometer Rolling Hills und ein kleiner “Battle” mit 1-2 anderen Athleten. Auf Grund des Terrains war es schwierig sich abzusetzen bzw. hätte man umgedreht immer deutlich rausnehmen müssen. Wir sind auf den kleinen Rampen immer wieder aufgefahren und an den Ziehstücken immer wieder ein wenig auseinander gefallen. Da auch ein Motorrad im Hintergrund zu hören war wollte ich natürlich besonders regelkonform fahren. Rolling Hills kosten immer Kraft durch den ständigen Wechsel und zusammen mit dem ständigen Überholen und überholt werden war ich meist über meinem veranschlagten Wattbereich. Obwohl es Spaß gemacht hat zu Taktieren war natürlich ein klein wenig Angst da ob ich diesen dann später nicht noch bereuen werde?! 🙂 Im Übrigen war das Motorrad gar kein Referee sondern vom Mediateam wie man mal wieder im Video sieht:
In Geilo angekommen war dann auch der “halfway point” erreicht (90km). Nun sollten noch vier weitere Berge kommen – das Rennen war im vollen Gange. Die Berge hatten eine Länge von 3-7km mit 6-13% Steigung und ich war wirklich sehr froh die Strecke vorher abgefahren zu sein. So konnte man die Gegebenheiten gut abschätzen und auch die Verpflegungspunkte festlegen. Keine Angst, die gehen wir jetzt nicht alle im Detail durch – sie waren zumeist am Beginn oder auf dem Peak von den Bergen wo ich entsprechend langsam unterwegs bin. Folgendes schreibe ich auch nur für die Annalen bzw. um zu überprüfen ob es jemand überhaupt liest 😀 Ich musste schon den ganzen Tag – Gott weiß warum (eventuell das kalte Wasser?!) – Pinkeln wie verrückt. Gut, wer mich kennt weiß das dies nichts Neues ist aber diesmal war es extrem. Fahrt am Berg mal Wiegetritt und lasst laufen, dass gibt eine interessante Spur 😀 Und ehe der große Aufschrei folgt, ich hatte Wasser am Rad zum Spülen und es ist tausend mal steriler/sauberer als jeder Schwamm der beim Laufen gereicht wird und den man sich dann über dem Kopf ausdrückt. Aber gut. Themenwechsel bitte 😀
An den Bergen war es meist recht ruhig und das Feld war auseinander gezogen. Manchmal habe ich überholt, manchmal wurde ich überholt. Irgendwann hat man an den Bergen immer wieder die selben Supporter gesehen, welche einen auch immer fleißig anfeuerten. Nicht ganz so laut wie in Roth aber mit der gleichen Zuneigung 😀 Wenn ich mich recht erinnere wurde ich insgesamt wieder mehr überholt und habe konsequent aufs Pacing geachtet. Was ich aber definitiv noch weiß ist das ich an den letzten drei Bergen sogar Athleten bei der Abfahrt überholt habe. Bei meinen Abfahrtskünsten ist das durchaus bemerkenswert 😀 Zwischendrin habe ich auch nochmal mit dem Media-Motorrad geflirtet und ein paar Fragen beantwortet. Nicht so schön war ein-, zweimal die Situation wo ein Supportfahrzeug neben seinen Athleten über einen sehr langen Zeitraum gefahren ist und sogar Sachen ausgetauscht wurden. Das ist ziemlich unsportlich (regelwidrig) und führte auch zu einer langen Autoschlange welche dann ziemlich behindernd war.
Ich glaube es war der drittletzte Berge als ich einen energetischen (und folglich mentalen) Hänger verspürte. Nichts dramatisches und ich kannte die Situation schon aus Roth bzw. aus dem Training – schön ist es trotzdem nicht. Man fährt schlicht keine 180km im Renntempo durch und schwebt dauerhaft auf Wolke sieben. Nichtsdestotrotz bin ich dann schon etwas eher als geplant auf das Energy Super Gel (hat mehr Zucker) und etwas Cola (geringe Energiedichte aber geht schnell in Blut) umgestiegen. Den ein oder anderen Riegel habe ich jetzt auch noch verdrückt. Sarah war ganz schön am Rudern und in Sorge aber am Ende hat ja alles gepasst 🙂 Nach ca. 6h15m erreichte ich den Peak in Imingfjell. Der erste Teil der Abfahrt ist besonders tückisch da sehr steil, steile Kurven und extrem beschis***** Belag. War das Wetter bis hierher echt Sahne und seit Halne auch durchwef sonnig musste es natürlich dort oben wie aus Eimern gießen. Mit klammen Fingern bin ich irgendwie runtergejuckelt. Ist der erste Teil geschafft heißt es dann 25km nur noch “gib ihm” bis Austbygde. Die Abfahrt ist richtig schnell und in den knapp 30min kann man auch gut rollen lassen und die Beine etwas ausschütteln. Gefühlt habe ich nur dreimal getreten in der Zeit. Dank des anfänglichen Regens konnte ich mir auch das Radputzen am Tag danach sparen 😀 Dieser hatte dann übrigens irgendwann auch aufgehört und dank des Fahrtwindes war dann Mensch und Maschine auch trocken in Austbygde angekommen.
Im Vorfeld war die Angst das Sarah und Papa, nach der letzten Verpflegung in Imingfjell, nicht schnell genug nach Austbygde kommen bzw. keinen nahegelegenen Parkplatz mehr bekommen. Alles unbegründet – Papa stand bereits am Eingang der Wechselzone und hat mir das Rad abgenommen. Sarah erwartete mich dann in der Wechselzone und half mir meine Hose, mein Oberteil und natürlich die Schuhe zu wechseln. Ich wechselte in mein Zweiteiler und war froh frische Sachen anzuhaben.
Am Ausgang der Wechselzone steht immer eine Dame welche einem mit Hilfe einer Tafel die aktuelle Position anzeigt. Als ich aus der Wechselzone rannte zeigte Sie mir zu meiner Freude und Überraschung diese Schnapszahl: 99 🙂 Und wie ich bereits hier gespoilert habe, hatte ich mit einer Fahrzeit von 6h:51m eine Punktlandung hingelegt. Ich wollte um die 7h fahren und es war zudem die Zeit, welche von bestbikesplit.com für meine angepeilte (Watt-)Leistung berechnet wurde. Es ist einfach alles zusammengekommen 🙂