Nach ca. vier Stunden “Schlaf” (ich würde es auf Grund der Aufregung mehr Dösen nennen) klingelte um 2:00 Uhr der Wecker. Und das nicht etwa weil der Schwimmstart noch soweit weg war, sondern weil um 4:00 bereits die Fähre ablegt und um 5:00 das Horn zum Start bläst. Der Schwimmstart war von der Ferienwohnung direkt in Sichtweite und man hat sehen können das schon die Helfer vor Ort sind und weiter vorbereiten. Ich stand auf dem Balkon und es regnete, nicht nur ein bisschen, sondern so richtig. Das tat es mit einigen Unterbrechungen schon seit dem “Social Swim” am Tag zuvor. Es war eine tolle Atmosphäre (zumindest sehe ich das so im Nachgang :D). Das Licht und die Lampen von der Wechselzone 300m Luftlinie entfernt, gegenüber in der Ferienwohnung das ebenfalls beginnende Treiben. Die gleiche Unruhe unten auf dem Zeltplatz. Gott war ich froh jetzt nicht noch vor dem Start im strömenden Regen das Zelt verpacken zu müssen 🙂
Um kurz nach drei haben wir die Ferienwohnung verlassen und wie durch ein Wunder hatte es da auch wie auf einen Schlag aufgehört zu regnen. Ein gutes Zeichen?! 😀 Eher nicht, den die Erfahrung lehrte bereits, in 10min kann es wieder losgehen. Nach fünf Minuten Fußweg waren in der Wechselzone angekommen. Weitere fünf Minuten später waren wir eingecheckt. “Wir” weil Sarah als 1. Supporterin mit in die Wechselzone darf. Wir sind nochmal alle Abläufe (und Kleidungsoptionen :D) durchgegangen und haben alles zurecht gelegt. Danach sind wir mit Papa langsam zum Pier und zur Fähre gegangen (weitere 100m entfernt :D). Ich habe den beiden noch einen Kaffee geholt und bin dann auf die Fähre gegangen.
Das Gefühl war dabei irgendwie ähnlich wie schon das Jahr davor in Roth – vor dem Start aber auch während des Rennens. Zumindest so im Nachgang. Alles verläuft wie im Tunnel und die vielen Stunden fühlen sich danach wie Minuten an. Sarah und Papa sind noch einmal in die Ferienwohnung zum Frühstück und zum finalen Verräumen gegangen während ich auf der Fähre erstmal standesgemäß die Toilette aufgesucht habe 😀 Die (Auto-)Fähre ist quasi zweigeteilt. Unten viel Platz für die Autos und oben der eigentliche Aufenthaltsbereich. Auf den Norseman-Videos wird die Atmosphäre immer sehr mystisch eingefangen und mit entsprechender Musik unterlegt. Alle gehen in sich und sind konzentriert. Auf ein paar trifft das zu, die anderen unterhalten sich (zumeist die Norweger und Profis), sind am rumwusseln oder probieren wie ich das Geschäft zu erledigen. Welch Wunder, die Musik fehlt auch 😀 Nachdem ich Jahr für Jahr die Videos gesehen hatte vom Norseman und von der Fähre hatte ich in dem Moment gar nicht das Gefühl so richtig dort zu sein, bzw. zu realisieren was gerade passiert.
Im Unterdeck hat jeder ein Plätzchen für sich gesucht, dort ist die Anspannung auch zu spüren. Das mag aber auch daran liegen das man hier den Nachthimmel sieht, die Motoren hört und eine gewisse Atmosphäre durch blaues Licht geschaffen wurde (wo auch immer das eigentlich herkam :D). Da mein erster Toilettengang nicht von Erfolg gekrönt war habe ich es nochmal auf dem Unterdeck probiert. Dort hatten sie eine mobile Anhängertoilette hingestellt. Ich erwähne das nur weil diese wenige Minuten später dank des Wellengangs umgekippt ist 😀 Keine Angst – es ist niemand verletzt wurden und auch sonst ist nichts passiert. Ein Schreck war es aber allemal. Natürlich war auch der zweite Toilettengang nicht wahnsinnig Erfolg bringend. Und auch wenn ich so meine Problemchen mit der Verdauung habe, hier war es wirklich rein der Aufregung und des Zeitvertreibs geschuldet. So wirklich abschalten, die Stimmung aufnehmen und fokussieren konnte ich nicht. Ich wollte vermutlich einfach nur das es losgeht.
Ich hatte so langsam angefangen meinen Neo, die Haube und die Füßlinge anzuziehen als ich noch mit einem anderen deutschen Mitstreiter ins Gespräch gekommen bin, welchen ich bereits bei der Wettkampfbesprechung gesehen hatte. Ich weiß leider nicht mehr genau über was wir uns unterhalten hatten, er war aber eher etwas in Sorge vor dem was da wohl kommt. Die Fähre ist ca. 45 Minuten unterwegs bis sie nach ungefähr 4km ihre finale Position weiter draußen im Fjord einnimmt.
Das Unterdeck füllte sich langsam mehr und mehr mit Athleten und auch der bekannte “Wasserhahn” wurde nun aufgedreht. Kurz bevor es ins Wasser geht wird über einen Schlauch das kalte Fjordwasser zur Gewöhnung an das selbige über die Athleten gespritzt.
Ich habe diesen Service natürlich auch wahrgenommen und so gut es ging den Neo damit volllaufen lassen. Die erste Erleichterung: Das Wasser ist weiterhin nicht sterbenskalt. Was hatte ich immer für ein Bammel vor dem kalten Wasser als ich die Szenen in den Videos in den Jahren davor gesehen hatte. Das Schiff hatte mittlerweile gehalten und die Klappe zum finalen Absprung wurde geöffnet. Was tun? Jetzt springen oder noch warten? Auskühlen im Wasser beim Warten auf den Startschuss oder womöglich zu spät dran sein? Also bin ich einmal vor zur Luke zur gegangen, habe ein wenig geschaut und mich dann aber dafür entschieden nochmal auf die andere Seite zur Fjorddusche zu gehen. Nur um ganz sicher zu gehen das ich kein Kältschock bekomme beim Reinspringen 😀 Und natürlich vor Aufregung. Und…das gebe ich ganz unverhohlen zu, auf der Suche nach einer Kamera für eine schöne Erinnerung und einen Gruß. Ich war gut drauf 🙂 Zurück an der Luke habe ich nicht lange gefackelt und bin gesprungen. Bringt ja alles nichts 😀 Mit einem “Let’s got!” und zwei Daumen zur Kamera (siehe Video :)) ging’s in den Fjord.
Die Taktik direkt mit aufgezogener Brille ging voll auf. Alles hat gehalten und nichts ist verloren gegangen 🙂 Die zweite Erleichterung: ich würde die Sprunghöhe auf maximal zwei Meter schätzen. Gut – jetzt war ich ja eh schon gesprungen und es ist egal, trotzdem bin ich im Vorfeld immer so von fünf Metern ausgegangen weshalb ich ja ursprünglich auch mal im Freibad am 5er Sprungturm “üben” wollte. Dazu ist es ja nie gekommen und mein treuloser Support hatte mich ja deshalb bereits im Vorfeld immer mit der Möglichkeit der “Chicken”-Klappe aufgezogen.
Der Sprung von der Fähre, vor dem Startschuss rückenschwimmend, den Blick zurück auf die Szenerie und das erste Mal wirklich bewusst wahrnehmen, was gerade passiert. Unfassbar, der Moment den ich das erste Mal vor 6 Jahren in einem der bekannten Videos gesehen habe, wird wahr – ein Freudenruf hallt durch den Fjord.
Nun war es also soweit, der Norseman stand kurz vor dem Startschuss. Ich bin ganz an den Fjordrand geschwommen um dort eine gute Orientierung zum Ufer zu haben. Dort habe ich dann Thorsten getroffen. Ich kannte ihn bereits aus der Facebook-Gruppe und hatte mit ihm Kontakt bezüglich des Lampensetup’s (geeignete Lampen an ein Zeitfahrrad anzubringen ist ein Thema für sich). Er meinte er würde so 65 Minuten (oder weniger?) fürs Schwimmen anpeilen. Gut, dachte ich mir, das ist zu schnell 😀 Leider weniger schnell verging die Zeit bis zum Start. Wie sich herausstellte war ich viel zu früh gesprungen. Oder es gibt Verzögerungen? Oder lag es nur an meiner verschobenen Zeitwahrnehmung? 😀 Ich wusste es nicht da ich meine Uhr bewusst nicht beim Schwimmen dabei habe. Das hat den Grund, dass ich mich nicht schon nach dem Schwimmen mental stressen lassen kann wenn es mal nicht wie geplant läuft (schwimmt). Das Schwimmen hat den minimalsten Anteil an der Gesamtlänge einer Langdistanz. Fünf oder sogar 10 Minuten hin oder her spielen dabei eigentlich keine Rolle (für einen Age-Grouper!). Trotzdem lässt man sich ja dann im Eifer des Gefechts aus der Ruhe bringen. Ich glaube Thorsten hat dann sogar noch eine Kajak-Begleitung gefragt wie lange es wohl noch dauert. Fünf Minuten? Ich weiß es nicht mehr. Jedenfalls hieß es jetzt paddeln und alibimäßig warmschwimmen. Und dann auf einmal tönt es durch den Fjord…das Schiffshorn bläst, der Norseman 2018 ist auf dem Weg.
Die Marschrichtung war klar: Ein paar gute Beine finden, in den Rhythmus kommen und sich auf den ersten 2km immer zum Ufer hin orientieren. Geschwommen wurde in Richtung des einzig erkennbaren Punktes: dem Leuchtfeuer was im Hafen von Eidfjord entzündet wurde. Auf den gefühlten ersten 500m war ich hinter Thorsten bis ich ihn irgendwann verloren hatte. Unsere Gruppe war teilweise so nah am Ufer (eigentlich ist es eher schroffer Felsen) das ich mit dem Bauch über ein, zwei rundgelutschte Steine gerutscht bin. Ich würde vermuten das der Sichtbereich um die 2-3 Meter lag was gar nicht so wenig ist wenn man bedenkt das es noch fast dunkel war. Von wirklicher Kälte war das ganze Schwimmen auch nichts zu spüren (zum Glück!), jedoch hat man schon gemerkt wo das Wasser vom Hang in den tiefen Fjord führt. Ich habe zwar immer probiert an Füße zu kommen (Stichwort: Schwimmschatten) jedoch bin ich wie immer ab der Hälfte alleine und in meinem Tempo geschwommen. Es waren auch nicht soo viele Athleten um mich herum. Ein Großteil ist wohl eher mittiger geschwommen bzw. wie sich später rausstellte einfach ein klein wenig hinter mir 🙂 Es wurde langsam hell und man konnte die Silhouette von Eidfjord erkennen. Da das Leuchtfeuer etwas abseits vom Hafen entzündet wurde (und um deshalb nicht unnötige Extrameter zu schwimmen) war es nun wichtig sich in Richtung des erkennbaren, weißen Hotels direkt am Hafen zu orientieren. Das war ebenfalls der Startpunkt der Fähre und somit 100m von der Wechselzone entfernt. Kurz vorm Ausstieg wusste ich bereits zwei Dinge 🙂 Erstens war ich schnell (für meine Verhältnisse) und zweitens war es schon wieder am Regnen. Am Ende habe ich das Wasser als 65. (von 235) mit einer Schwimmzeit von 1h:08m:53s verlassen. Mein Gefühl hat mich also nicht getäuscht und ich war damit sogar schneller als in Roth! War die Strecke zu kurz? Lag es an den Gezeiten, der höheren Dichte des kalten Wassers oder an der Angst vor Walen? Ich weiß es nicht 😀
Alle Supporter welche mit in die Wechselzone durften, um beim Umziehen und Abtrocknen, zu helfen warteten am Schwimmausstieg. Aber war Sarah auch schon da? Immerhin hatte ich eher mit eine Schwimmzeit von 1h:15 bis 1h:20 gerechnet und dies auch so kommuniziert. Also bin ich aus dem Wasser raus und habe lauthals “Sarahhh, Sarahhh, Sarahhh” gerufen bis ich sie gesehen hatte. In dem Moment egal aber im Nachgang doch etwas peinlich 😀 Nun folgte ein recht problemloser Wechsel. Lediglich die Oberschenkel krampften also Sarah mir die Kompressionssocken angezogen hat (dank der feucht-nassen Beine gar nicht so einfach). Ich vermutete das diese auf das kalte Wasser zurückzuführen sind. Etwas ungewöhlich ist es schon. Normalerweise hat man eher mit Wadenkrämpfen zu tun weshalb ich in regelmäßigen Abständen den Fuß beim Schwimmen beuge um ihn kurz aus der Dauerstreckung zu holen.
Der ganze Wechsel passierte mehr oder minder im Sitzen. Sarah hat sich um die Beine gekümmert während ich den Oberkörper abgetrocknet und mich angezogen habe. Die Problematik mit der Kleiderwahl hatte ich ja schon im vorhergehenden Blogpost erörtert 😀 Am Ende wurde es eine kurze Bibshort (auf Grund der Fahrdauer einfach angenehmer), ein (Funktions-)Unterhemd plus Trikot und eine kurze Wind bzw. Warnweste drüber. So richtig doll gefroren habe ich nicht und die Außentemperatur war auch erträglich. Es waren um die 15/16° bei etwas Regen. So richtig “extreme” war das ganze natürlich nicht, gerade wenn man es mit so mancher Szene aus den Vorjahresvideos vergleicht. Wichtig war es letztlich mich richtig trocken zu bekommen bevor ich aufs Rad steige. Noch ein (sehr) großer Schluck aus der “Post-Swim-Bottle” (30-40g Kohlenhydrate) reingedrückt und hopp. Witzigerweise habe ich dann Thorsten wieder beim Verlassen der Wechselzone getroffen. Am Ende benötigten Sarah und ich 6 Minuten um mich einmal aus- und wieder anzuziehen. Somit absolut zufrieden und im Soll 🙂