“Der Norseman 2018 ist zwar Geschichte aber auch Tage danach immer noch sehr präsent. Ähnlich wie schon in der Woche vor dem Rennen nur eben mit weniger Anspannung, dafür nun aber mit den zu verdauenden Erlebnissen (stets im Positiven natürlich). “It’s just a race” habe ich mir in den Tagen und Wochen davor immer wieder klargemacht, in der Hoffnung, dass ich hier nicht zu überheblich bin. Immerhin, ich wusste, dass ich gut vorbereitet bin. Was den Norseman so “extreme” macht ist neben den Höhenmetern das Wetter. Der Wettergott war dieses Jahr sehr gnädig, die Höhenmeter sind geblieben 🙂 Extrem bleibt dafür die Landschaft – extrem schön und einzigartig. Nach der Streckenbesichtigung mit Sarah und Papa in den Tagen davor wurde die Marschroute festgelegt: “Respektvoll zuversichtlich” ins Rennen gehen, sich immer wieder klarmachen, dass es ein Privileg ist, daran teilzunehmen (4417 Bewerber auf 250 Startplätze) und am Ende stark finishen – natürlich ganz oben! Der Sprung von der Fähre, vor dem Startschuss rückenschwimmend, den Blick zurück auf die Szenerie und das erste Mal wirklich bewusst wahrnehmen, was gerade passiert. Unfassbar, der Moment den ich das erste Mal vor 6 Jahren in einem der bekannten Videos gesehen habe, wird wahr – ein Freudenruf hallt durch den Fjord 😀 Das Schiffshorn bläst, der Norseman 2018 ist auf dem Weg. Für mich endete dieser Weg nach reichlich 14 Stunden zusammen mit meiner Supportcrew auf dem Gaustatoppen (“ganz oben”) im absoluten Glück 😉 Teaser Ende…ein ausführlicher Bericht folgt…jetzt wird weiter Norwegen “geguckt”.” – 14. August 2018
Es sind reichlich 8 Wochen vergangen seit dem Norseman Xtreme Triathlon 2018. Es ist mittlerweile Oktober, die Tage werden kälter und nasser. Perfekt um einen (ausführlichen) Bericht zu schreiben 🙂 Also spulen wir zurück auf Anfang. Nein halt – wer oder was ist eigentlich dieser Norseman?! Der Norseman findet jährlich in Norwegen statt und gilt als das härteste Langdistanzrennen der Welt. Alles beginnt um 4:00 Uhr morgens, wenn die Fähre den Hafen von Eidfjord verlässt, um die 250 Wagemutigen aufs Fjord hinauszufahren. Dann heißt es endlich „Jump!“. Dieses Bild wie die Athleten im Morgengrauen von der Fähre springen löst in mir immer ein Gefühl von Gänsehaut und Ehrfurcht aus. Vom eindrucksvollen Hardangerfjord führt das Rennen nach 3,8 Kilometern Schwimmen (dank Gletscherwasser im Schnitt <= 15 Grad Wassertemperatur) sofort steil an den Bergwänden hinauf auf die Hardangervidda Hochebene, einer der besonderen Landschaftsattraktionen Skandinaviens. Die 180km lange Radstrecke schlängelt sich über Geilo in die norwegische Bauernprovinz Telemark nach Austbygdi. Insgesamt gilt es dabei 3000 Höhenmeter zu überwinden. Das Rennen endet nach einem Marathon auf dem Gipfel des schroffen Gaustatoppen über der Kleinstadt Rjukan, 1.850 Meter über dem Meer. Aber nicht nur die Streckenverhältnisse sind mit Ehrfurcht zu betrachten, vor allem die oft unsicheren Wetterverhältnisse lassen den Norseman zu einem Kampf gegen die norwegische Natur werden. Und auch das Finisherlimit am Gaustatoppen von nur 160 Sportlern verleiht diesem Wettkampf ein besonderes Flair. Den der letzte Cut-off bei Laufkilometer 32 ist legendär. Von den 250 ausgewählten Startern dürfen diesen nur die ersten 160 passieren und somit ins Ziel auf dem Gaustatoppen einlaufen und sich ihr schwarzes Finisher-Shirt verdienen. Der Rest erhält „nur“ ein weißes Shirt und finisht am Bergfuß. Das Ganze funktioniert natürlich nicht alleine sondern nur als Team. Der Veranstalter stellt zudem keine Verpflegung während des Wettkampfs sodass alles selbst zu organisieren ist. Auch die letzten Kilometer auf den Gaustatoppen darf man nicht alleine zurücklegen sondern nur in Begleitung. Meine geliebte Sarah und mein Papa sollten mich auf der Reise unterstützen.
Nun aber….zurück auf Anfang.
Es ist der 11.11.2017 und ich sitze zusammen mit alten Freunden in Cottbus beim Abendessen. Wir unterhalten uns über Norwegen. Wir unterhalten uns über den Norseman. Wir unterhalten uns darüber ob sie, sofern ich den überhaupt einen der begehrten Slot bekomme, mich in Norwegen anfeuern kommen. Rein hypothetisch also. Was ich zu dem Zeitpunkt noch nicht wusste, ich hatte den Slot bereits sicher 🙂 Als ich mich nämlich wenig später auf dem Weg zum Zug Richtung Berlin machte und nach einiger Zeit das erste Mal wieder auf das Handy schaute war sie da, die Email die mein Leben für die nächsten 9 Monate maßgeblich beeinflusste.
Ich erinnere mich an gemischte Gefühle, war ich mir doch schon bei der eigentlichen Registrierung nicht sicher ob ich den Norseman (jetzt schon) machen will. Neben der Challenge Roth war dieser Wettkampf eins meiner großen Ziele und Träume seit ich vor sechs Jahren von der Couch gekommen bin. Schon damals, ursprünglich inspiriert durch einen Vortrag von Annett Finger, war ich von dem Norseman wahnsinnig fasziniert. Der Sprung von der Fähre in eiskaltes Wasser zum Start und ein Finish auf einem 1800m hohen Berg (bei unberechenbaren Wetter) Stunden später hat mich in den Bann gezogen. Jedes Jahr aufs Neue mit den jährlichen Veröffentlichungen der Racevideos wurde ich mehr und mehr angefixt. An dieser Stelle sei erwähnt, dass ich bereits 2015 einen der begehrten Slots für 2016 ergattert (und nicht angenommen) hatte. Das Anmeldeprozedere ist simpel. Circa (damals “nur”) 3500 Athleten und man selbst registriert sich und gibt somit ein Los in den Topf. Dafür hat jeder zwei Wochen Zeit bis die Anmeldung geschlossen wird. Danach werden wieder 250 Lose aus dem Topf gefischt. Wird man dann gezogen, super! Wenn nicht erhält man im Jahr darauf die doppelte Chance.. Das geht dann Jahr für Jahr so weiter. Je länger man es also probiert, desto höher die Chance mit jedem weiteren Jahr gezogen zu werden. Ich hatte mir damals im Vorfeld zugegebenermaßen gar keine Gedanken gemacht ob ich mich anmelden soll oder nicht – ich werde ja eh nicht gezogen. Eigentlich wollte ich clever sein und dann ein Jahr später (2017), nach dem bereits geplanten Roth-Finish 2016, bessere Chancen haben 😉 Wer konnte ahnen das ich wirklich für 2016 den Slot bekomme und diesen dann ausschlagen musste. Wie das Schicksal so spielt musste ich Roth dann leider verletzungsbedingt auf 2017 verschieben. Also Stand ich im Oktober letzten Jahres wieder vor der selben Frage. Soll ich mein Glück probieren und an der Lotterie teilnehmen? Was ist wenn ich wieder gezogen werde? Soll ich ein Jahr nach Roth direkt das nächste große Ziel in Angriff nehmen? Will ich nicht erstmal auf der Langdistanz weiter Erfahrung sammeln und vielleicht sogar am Tempo arbeiten? Und was kommt danach, was fasziniert mich noch, was kann das toppen? Ist der Norseman nicht eher ein Wettkampf “mit dem man den Sport verlässt”? Dieses “once in a lifetime” Event – grade auch mit Blick auf die geringe Chance überhaupt zu starten? Ich hatte lange überlegt und wollte mich schlussendlich nicht anmelden. Gott weiß warum, aber ich glaube am letzten oder vorletzen Tag der Anmeldeperiode habe ich es dann doch getan 🙂
So stand ich dann also in Cottbus und war mir wieder unsicher. War ich doch bis dahin wieder fest davon ausgegangen, dass es ja eh nichts wird. Nun hatte ich den Salat und musste mich innerhalb von neun Tagen zurückmelden ob ich den Slot annehme. Ich weiß noch wie heute als Sarah mir, noch während ich im Zug saß, Ausschnitte des Athlete Guides vorlas und sich damals bereits überlegte wie sie mich vor Ort supporten kann. Oh wie ich diese Frau liebe! Kaum zu glauben, aber sie war damals mehr begeistert von der Zusage als ich 🙂 Ich glaube mein Papa war es, der am Ende die richtigen Worte fand: “Einfach machen, Chancen ergreifen!”. Und er hat Recht, wer weiß wann und ob ich den wieder einen Slot bekommen würde. Bekanntlich sind aller guter Dinge ja drei, aber wer kann schon sagen ob dann die Rahmenbedingungen wie Familie oder Job überhaupt noch passen und so ein Projekt ermöglichen.
Zwei Tage später habe ich das Geld überwiesen und war damit fest gesetzt für den Norseman 2018 🙂